Pressemitteilung des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Mecklenburg-Vorpommern
Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit Mecklenburg-Vorpommern legt Tätigkeitsbericht für 2019 vor
Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Mecklenburg-Vorpommern hat heute seinen Tätigkeitsbericht für das Jahr 2019 vorgelegt. Das Arbeitsvolumen der Behörde ist gegenüber dem Jahr 2018 weiter gestiegen. Während er in den letzten vier Monaten des Jahres 2018 nur von einer der in der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) vorgesehenen aufsichtsrechtlichen Maßnahmen Gebrauch gemacht hat, waren es im Jahr 2019 bereits 82. Dabei war die häufigste Maßnahme die förmliche Warnung, mit der der Verantwortliche auf absehbare Datenschutzverstöße hingewiesen wird. Im Berichtszeitraum wurden auch fünf Bußgelder verhängt. Als deutlich wirksameres Mittel zur Durchsetzung des Datenschutzrechts hat sich allerdings die Androhung von Zwangsgeldern erwiesen. Hierzu kam es im Jahr 2019 in acht Fällen. Die Anzahl der Datenpannenmeldungen gemäß Art. 33 DS-GVO ist mit 108 im Jahr 2019 nahezu konstant geblieben. Weiterhin auf hohem Niveau liegt mit 1069 im Jahr 2019 die Anzahl der europäischen Verfahren, an denen der Landesbeauftragte beteiligt wurde. Eine Ursache für das in der Summe weiter ansteigende Arbeitsvolumen ist sicherlich in der DS-GVO zu suchen, die den Aufsichtsbehörden zahlreiche zusätzliche Aufgaben gegeben hat. Eine weitere Ursache liegt in der rasanten technischen Entwicklung der Datenverarbeitung und der fortschreitenden Durchdringung nahezu aller Lebensbereiche, die in der Corona-Krise weiter beschleunigt wurde.
Die Anzahl der anlassunabhängigen Prüfungen, die für die Durchsetzung des Datenschutzrechts von besonderer Bedeutung sind, verharrt demgegenüber mit drei Fällen im Jahr 2019 auf einem extrem niedrigen Niveau. Diese Zahl verdeutlicht, dass der Landesbeauftragte seiner Aufgabe der Durchsetzung der DS-GVO nicht ansatzweise gerecht wird. Als einzige Datenschutzaufsichtsbehörde in Deutschland arbeitet der Landesbeauftragte mit der gleichen Personalausstattung wie vor der Anwendung der DS-GVO. Mit dem am Ende des Berichtszeitraumes beschlossenen Doppelhaushalt 2020/2021 hat der Landtag auf Vorschlag der Landesregierung auch erhebliche Teile der Mittel für die Bewirtschaftung der Dienststelle mit einem Sperrvermerk versehen. Somit stehen für das laufende Jahr noch keine ausreichenden Mittel für Strom, Reinigung, Müllabfuhr und Bewachung zur Verfügung. Es bleibt zu hoffen, dass die Aufhebung dieses Sperrvermerks im Laufe des Jahres 2020 gelingt, weil anderenfalls die Behörde komplett handlungsunfähig wird.
Beim Landesbeauftragten gingen im vergangenen Jahr 533 Eingaben und Beschwerden ein. In einem erheblichen Teil der Zuschriften kritisierten Bürgerinnen und Bürger, dass Betroffenenrechte, die sie gegenüber einem Unternehmen, dem Hausarzt, einem Verein oder einer Behörde geltend gemacht haben, schlicht ignoriert oder nur unzureichend erfüllt werden. Nach der Wertung der DS-GVO spielt die betroffene Person bei der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung ihrer Daten eine ganz entscheidende Rolle. Mit den Betroffenenrechten stellt die DS-GVO sicher, dass die betroffene Person auch über die Werkzeuge verfügt, um diese Kontrolle auszuüben. So muss die betroffene Person grundsätzlich darüber informiert werden, dass über sie personenbezogene Daten verarbeitet werden. Eine heimliche Datenverarbeitung ist in aller Regel unzulässig. Daher empfiehlt der Landesbeauftragte Verantwortlichen in Unternehmen und Verwaltung, einen festen Prozess zu etablieren und Beschäftigte entsprechend zu schulen, wie mit Betroffenenrechten umzugehen ist.
Der Landesbeauftragte vertritt die DSK im IT-Planungsrat, in dessen Projekt der „Registermodernisierung“ die in der Verwaltung geführten Register modernisiert und der Zugriff auf die dort gespeicherten personenbezogenen Daten vereinfacht werden sollen. Eine zentrale Rolle spielen dabei einheitliche, personenbezogene Identifikatoren. Die DSK hat in einer Entschließung vom September letzten Jahres auf die Risiken und die verfassungsrechtlichen Grenzen einheitlicher und verwaltungsübergreifender Identifikatoren hingewiesen. Sie lehnt derartige Personenkennzeichen zur direkten Identifizierung von Bürgerinnen und Bürgern ab und fordert alternative Methoden zur eindeutigen Identifizierung, etwa sektorspezifische Identifikatoren, die zwar eine eindeutige Identifizierung erlauben, einen einseitigen staatlichen Abgleich von Daten jedoch verhindern.
Seit 2012 zeigt der Landesbeauftragte mit dem Gemeinschaftsprojekt Medienscouts MV Kindern und Jugendlichen Chancen und Risiken der digitalen Welt auf. Grundlegend ist dabei der so genannte peer-to-peer-Ansatz. Die Medienscouts lernen, ihr Wissen unmittelbar an andere Kinder und Jugendliche weiterzugeben. Die gleichbleibend hohen Teilnehmerzahlen zeigen ein ungebrochenes Interesse an dem Projekt. Seit dem Jahr 2018 werden pro Durchgang bereits zehn Teilnehmende mehr als früher ausgebildet. Dennoch gibt es Wartelisten und interessierte Jugendliche müssen auf den folgenden Ausbildungslehrgang vertröstet werden. Mit der derzeitigen Teilnehmerzahl hat das Projekt die Grenze des Möglichen erreicht. Weder der Landesbeauftragte noch seine Kooperationspartner verfügen über die strukturellen und finanziellen Voraussetzungen, um beispielsweise die Zahl der Ausbildungsdurchgänge zu erhöhen oder zielgruppenspezifisch (etwa für Berufsschülerinnen und Berufsschüler) anzupassen.
Kurz nach Ende des Berichtszeitraumes, am 14. Januar 2020, ist der reguläre Support von Microsoft für das Betriebssystem Windows 7 ausgelaufen. Der Nachfolger von Windows 7 ist Windows 10. Wegen der fortwährenden Datenübermittlungen von Windows 10 an Microsoft stellt sich jedoch die Frage, ob sich Windows 10 überhaupt datenschutzkonform einsetzen lässt. Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden. Deshalb hat die DSK auf ihrer Sitzung im Herbst 2019 ein Prüfschema zu Windows 10 herausgegeben, anhand dessen die Anwenderinnen und Anwender die Datenschutzkonformität ihres konkreten Einsatzfalls beurteilen können.
Ende August 2019 hat der Landesverband der Partei „Alternative für Deutschland“ auf seiner Homepage ein sogenanntes Informationsportal „Neutrale Schule“ freigeschaltet. Nach Prüfung des Portals hat der Landesbeauftragte die Datenerhebung über das Portal untersagt und die sofortige Vollziehung dieses Verbotes angeordnet. Der Landesverband ist diesem Verbot fristgemäß nachgekommen. Er hat aber gegen das Verbot Anfechtungsklage erhoben und ist auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Verbotes vorgegangen. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hatte keinen Erfolg. Eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren steht noch aus.
Dem Landesbeauftragten werden immer wieder Beschwerden zu Videoüberwachungsanlagen oder Videokameras im privaten und nachbarschaftlichen Bereich vorgelegt. Wenn der Verantwortliche ein privates Nachbargrundstück mit überwacht, ist dies unzulässig. Das gleiche gilt für die Überwachung des öffentlichen Straßenraumes, wobei die Erfassung eines schmalen Streifens entlang der Hauswand unter bestimmten Umständen nach der Rechtsprechung ausnahmsweise zulässig sein kann.
Der Landesbeauftragte hat eine umfangreiche Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes über die Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (SOG M-V) abgegeben. Wegen seiner Unverständlichkeit macht es das SOG M-V den Anwendern kaum möglich, rechtsfehlerfrei ihre Aufgaben zu erfüllen. Auch sind die Regelungen im SOG M-V über die Befugnisse der Datenschutzaufsicht nach Auffassung des Landesbeauftragten europarechtswidrig. Einzelne Regelungen wie die über die Online-Durchsuchung oder die automatisierte Kennzeichenerfassung lassen sich zudem nicht mit der Verfassung vereinbaren. Obwohl der Landesbeauftragte seiner Kritik auch im Rahmen der öffentlichen Anhörung zu dem Gesetzentwurf Ausdruck verlieh, wurde dieser im März 2020 fast unverändert beschlossen.
Regelmäßig muss der Landesbeauftragte Bußgeldverfahren gegen Polizeibeamte wegen der Nutzung von polizeilichen Informationssystemen für private Zwecke eröffnen. Im Jahr 2019 wurden insgesamt 16 Verfahren dieser Art geführt. Dazu Heinz Müller: „Ein Missbrauch von personenbezogenen Daten durch die Polizei geht gar nicht. Hier beschädigt eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Missetätern den Ruf einer ganzen Institution. Darauf sind viele Polizisten zu Recht sauer.“
Mit der DS-GVO kamen auch auf die Krankenhäuser und Universitätskliniken in Mecklenburg-Vorpommern neue Aufgaben zu. Um hier bei den anstehenden Fragen zu unterstützen, hat der Landesbeauftragte in Kooperation mit dem Datenschutzbeauftragten der Nordkirche im Jahr 2018 das Projekt „Umgang mit Patientendaten in den Krankenhäusern Mecklenburg-Vorpommerns (UPKD)“ initiiert und im vergangenen Jahr abschließen können. Ziel des Projektes war es, einen Überblick über den Stand des Umgangs mit Patientendaten in ausgewählten Handlungsfeldern der Krankenhäuser und Universitätskliniken in Mecklenburg-Vorpommern zu erhalten. Ein öffentlicher Projektbericht ist auf der Webseite des Landesbeauftragten zu finden.
Ein Ergebnis des Projektes war die Datenschutz-Fachtagung zum Thema „Datenschutz: Krankheit oder Therapie?“, die aufgrund des erhöhten Informationsbedarfes zum Thema Datenschutz in Krankenhäusern und Universitätskliniken in Mecklenburg-Vorpommern am 28. Oktober 2019 im Bürgersaal in Waren (Müritz) durchgeführt wurde. Eingeladen waren Geschäftsführungen, Datenschutzbeauftragte, Ärztinnen und Ärzte, Mitarbeitende in den Verwaltungen sowie Pflegekräfte und weitere Fachkräfte der Krankenhäuser und Universitätskliniken in Mecklenburg-Vorpommern. Inhaltlicher Schwerpunkt dieser Fachtagung waren die Auswirkungen der DS-GVO auf die Arbeit in den Krankenhäusern und Universitätskliniken des Landes. Im Rahmen der Datenschutz-Fachtagung wurde diskutiert, ob der Datenschutz eher eine „Krankheit“ darstellt und den Versorgungsbetrieb stört oder ob der Datenschutz eher wie eine „Therapie“ wirkt und, richtig angewandt, unerwünschte Auswirkungen beseitigen kann. In vier bereichsspezifischen Diskussionsforen wurden Fragen der Teilnehmenden beantwortet und Lösungen aufgezeigt.
Das Informationsfreiheitsgesetz für Mecklenburg-Vorpommern (IFG M-V) stammt aus dem Jahr 2006 und ist mit lediglich einer inhaltlichen Novellierung im Jahr 2011 im Vergleich zu anderen Transparenzgesetzen/Informationsfreiheitsgesetzen, wie in Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz oder Thüringen, ziemlich veraltet. Der Landesbeauftragte empfiehlt, das Informationsfreiheitsgesetz grundlegend zu überarbeiten und zu einem modernen Transparenzgesetz fortzuentwickeln. Dazu hat er der Landesregierung bereits vor zwei Jahren zahlreiche Vorschläge unterbreitet.
Das Polizeipräsidium Rostock hat eine Anfrage nach dem IFG M-V zur Datenschutz-Folgenabschätzung sowie zum Datenschutz- und Informationssicherheitskonzept für die Videoüberwachung auf dem Schweriner Marienplatz abgelehnt. Der Antragsteller bat daraufhin den Landesbeauftragten um Vermittlung. Nach dem IFG M-V ist der Antrag auf Informationszugang unter anderem dann abzulehnen, wenn zu befürchten ist, dass durch das Bekanntwerden der Informationen der Erfolg behördlicher Maßnahmen erheblich beeinträchtigt würde. Allerdings war dies hier auch nach Einschätzung des Landesbeauftragten der Fall. Datenschutzkonzepte, die technische und organisatorische Maßnahmen enthalten, oder auch eine Datenschutz-Folgenabschätzung beschreiben zunächst die Risiken der Verarbeitung und sollen dann Maßnahmen zur Eindämmung dieser Risiken festlegen. Damit sind in diesen Dokumenten aber regelmäßig auch die Schwachstellen einer Datenverarbeitung aufgelistet, mit deren Bekanntwerden Angriffe auf die jeweilige Datenverarbeitung gezielt vorbereitet werden könnten. Vor diesem Hintergrund sind auch nach der Wertung der DS-GVO diese Informationen gegenüber der betroffenen Person nicht zwingend transparent zu machen.
Der Tätigkeitsbericht 2019 steht unter https://www.datenschutz-mv.de/datenschutz/publikationen/taetigkeitsberichte/ zum Download bereit.